Inhalt
Hierbei handelt es sich nicht um eine umfassende Analyse der Stadtpolitik und der Amsterdamer Nachhaltigkeitsstrategie, sondern um einen kurzen Eindruck aus persönlicher Perspektive mit einem Stadtentwicklungsblickwinkel.
Raumaufteilung kann verbessert werden, ÖPNV läuft scheinbar gut
Wie bereits im ersten Teil des Berichts über Amsterdam beschrieben ist die Raumaufteilung in der Stadt (Innenstadt u. Noord) überwiegend weiterhin sehr PKW orientiert – sowohl was Straßen als auch Parkraum angeht. Hier ist im Vergleich zu anderen europäischen Städten keine besondere Vorbildwirkung zu sehen. In den Städten Gent und Leuven im Nachbarland Belgien sind hingegen die Stadtzentren inzwischen großflächig autofrei.
Dazu kommt dann in Amsterdam eine größere Menge an Radinfrastruktur als sie in anderen Städten zu finden ist, was positiv ist (mögliche Verbesserungen erläuterten wir im ersten Beitrag). Zur Überfahrt nach Amsterdam Noord gibt es für Radfahrer:innen und Fußgänger:innen kostenlosen Fährverkehr, während die Metro und Autos einen Tunnel unter Wasser haben. Pendeln mit der Fähre – die vor allem in Stoßzeiten sehr voll ist – ist auch eine interessante Erfahrung. Laut unserer lokalen Gastgeberin werden die Fähren ganzjährig viel genutzt. Manche der Fähren fahren alle fünf Minuten, so wie die auf dem Bild abgebildete, die direkt am Hauptbahnhof hält. Andere Linien fahren alle zehn oder zwanzig Minuten tagsüber – die Intervalle sind ähnlich wie bei einem Bus oder einer Straßenbahn.
Insgesamt schien – basierend auf unserer Erfahrung – das ÖPNV Angebot gut zu sein. Züge verbinden zudem die verschiedenen niederländischen Städte miteinander und mit anderen europäischen Städten. Entsprechend ist dies eine gute und nachhaltige Alternative zur Nutzung eines PKW. In den Niederlanden gibt es zudem viele Radpendler:innen, d.h. die Räder werden entweder am Bahnhof in den großen Parkstationen sicher untergestellt oder sofern nötig, mit in den Zug genommen.
Grünes Essen und grüne Umgebung erhöhen die Lebensqualität
Die Versorgung mit pflanzenbasierten Speiseoptionen in Restaurants ist ähnlich gut wie in vielen anderen europäischen (Groß-)Städten. Selbst rein vegane Cafés und Restaurants sind inzwischen fast überall zu finden. Das erleichtert die tierproduktarme/-freie Ernährung ungemein. Für uns hat es viel mit Lebensqualität zu tun, wenn es keine Mühe macht, gute Optionen zu finden, die alle in der Gruppe glücklich und gesund satt machen.
Zudem hat Amsterdam ein paar schöne Parks, die zum Verweilen einladen. Ein großer Teil der Wege ist asphaltiert, was einerseits für Fortbewegungsmittel mit Reifen (Kinderwagen, Rollstuhl, Rad, …) hilfreich, jedoch für die Gelenke von Fußgänger:innen und Jogger:innen und auch in Hinblick auf Versiegelung nicht optimal ist. Eine Mischung aus verschiedenen Bodenbelägen wäre eine Option, die Nutzung von Belägen, die mehrere Funktionen gleichzeitig erfüllen, eine andere. Als wir dort waren hat leider ein Sturm Verwüstungen angerichtet und selbst sehr große Bäume umgeworfen. Das ist höhere Gewalt, bietet jedoch auf der anderen Seite die Chance, Neupflanzungen und Schutzmaßnahmen für die Zukunft – Stichwort: Klimaanpassung – vorzunehmen.
Die vielen Wasserwege in der Stadt stellen zum Teil eine Herausforderung in Bezug auf Transport und Navigation dar, können jedoch gemeinsam mit den Grünbereichen gerade in Zeiten von Klimawandel sehr hilfreich sein, um die Stadt zu kühlen und damit eine höhere Aufenthaltsqualität zu gewährleisten.
Internationales Vorzeigeprojekt Schoonschip: So verbindet mensch Lebensqualität und Nachhaltigkeit
Teilweise ein bisschen versteckt oder weniger offensichtlich gibt es in Amsterdam auch tolle Vorbildprojekte für lebenswerte, nachhaltige Stadtquartiere, z.B. das Schoonschip. Hier haben mehrere Familien mit externer Unterstützung u.a. durch das Design Studio Space&Matter eine schwimmende Siedlung aus individuellen Holzhäusern mit Solaranlagen gebaut. Das Projekt ist einer besonders ökologischen Bauweise gewidmet, die Konstruktion enthält z.B. auch eigene Flächen zum Anpflanzen, und gleichzeitig geht es auch ums soziale Miteinander der Bewohnenden. Wir würden uns wünschen, dass solche Projekte mehr Verbreitung finden und die gemachten Erfahrungen genutzt würden, um noch besser zu werden. Daher unterstützen wir Kommunen, in dem wir ihnen solche Beispiele aufzeigen und sie in Umsetzung bringen, und inspirieren Menschen durch unser Netzwerk, Blogartikel und den Newsletter.
Neben der Gestaltung einer schönen, gesunden, ökologischen Umgebung für alle, finden wir hier in dem Beispiel vor allem auch die Schaffung einer Nachbarschaftsgemeinschaft vorbildhaft. Mehr Informationen über das Projekt und Luftaufnahmen finden sich auf der Schoonschip-Webseite.
Generell scheint in Amsterdam – ebenso wie in vielen anderen Städten – viel gebaut zu werden, was sich anhand der aufgestellten Kräne erschließt. Dabei gilt Europa in Fachkreisen als weitgehend gebaut. D.h. es gibt genug Gebäude, in denen Menschen wohnen könnten, nur wollen viele Menschen in Ballungsräume ziehen, was zu Leerstand in kleineren oder weniger attraktiven Städten und Dörfern führt. Zudem wird die Wohnfläche pro Kopf immer größer. Würde der bestehende Wohnraum besser verteilt werden, müsste nicht mehr neu gebaut werden.
Mit besser meinen wir, dass jede Person eine angemesse Quadratmeterzahl pro Kopf zur Verfügung hat, ohne dass noch mehr Boden versiegelt und gebaut wird. Dabei kann Platz gespart werden, wenn viele Geräte und Räume gemeinschaftlich genutzt werden von Wohngemeinschaften aller Art und es daneben private Rückzugsräume gibt. Zusätzlich können z.B. Bürogebäude in der Nutzung umgewidmet werden. Denn insbesondere die Nutzung von alten Gebäuden ist an den meisten Stellen ökologisch besser als ein Neubau, selbst wenn dieser ökologischen Bauprinzipien folgt.
Wir sehen daher die Transformation im Baubereich vor allem in der Sanierung der alten Gebäude und dem Umbau zu multifunktionaler Nutzung sowie einer neuen gemeinschaftlichen Wohnkultur. Hieran werden wir in Zukunft weiter arbeiten und möchten alle Beteiligten auf einen Prozess des Umdenkens mitnehmen.
Was wir aus diesen Beispielen lernen können
Dieser kleine Reisebericht soll zeigen, wie mensch mit wenig Aufwand bei einer Stadterkundung einen ersten Überblick darüber gewinnen kann, was in einer Stadt in Bezug auf Nachhaltigkeit und Lebensqualität schon gut läuft und wo noch Potentiale bestehen. Dies kann als Inspiration mit in die eigene Stadt genommen werden: Was machen wir vielleicht schon besser? Was können wir von anderen abschauen? Und wo dürfen wir noch gemeinsam nach Lösungen suchen?